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Josepha Gasch-Muche

 Samstag, 05. Februar 2005

 

Ihre Objekte entstehen, indem sie transparente Glassplitter in unendlicher Formenvielfalt auf Leinwände oder feste Untergründe schichtet und weitgehend unsichtbar fixiert. Dabei bestimmen Richtung und Dichte der Schichtungen die Struktur und Bildordnung des Objektes. Auf den ersten Blick scheint eine solche Fläche durch die Gleichheit und Gleichwertigkeit der Einzelteile homogen und statisch.

Trifft dann Licht auf diese Glasschichtungen, erwacht die homogene Fläche eindrucksvoll zum Leben. Die Ruhe des Lichts wird erschüttert. Es ergeben sich Reflexe von äußerster Intensität und Dynamik. Das Glas fängt das Licht ein und zwingt es, sich in allen Spuren selbst darzustellen. In seiner optischen Qualität wirkt es intensiviert und überhöht.

Wer glaubt, die Vertreter der Zero Bewegung hätten in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Möglichkeiten erschöpft, Kunstwerke mit Materialien und Licht zu gestalten, hat noch keine Arbeit von Josepha Gasch-Muche erlebt. Das hauchdünne, geschichtete Glas reflektiert jedes einfallende Licht wesentlich stärker als die von Zero bevorzugt verwendeten Metalle mit Silbereffekten oder Natursteine mit auf Hochglanz polierten Oberflächen. Heute sehen wir Josepha Gasch-Muche in der Tradition der Zero Künstler, die nach dem 2. Weltkrieg u.a. die bis dato gebräuchlichen Bildkompositionen zugunsten neuer Materialien (vor allem Aluminium, Nägel, Feuer und Rauch) aufgaben und das gemalte Tafelbild über das Relief hinaus zum Raumobjekt aufweiteten. Glas spielte dabei eher eine untergeordnete Rolle. Wichtigstes neues Medium wurde das Licht, welches in seiner Qualität als Lebensspender bestens geeignet erschien, philosophische Inhalte der Zerokunst zu transportieren. Die singuläre Bedeutung des Lichts für alles Leben auf der Welt korrespondierte dabei mit der von den Künstlern geforderten Bedeutung ihrer Kunst.
Josepha Gasch-Muche hat Anfang der achtziger Jahre bei Boris Kleint und Günter Swiderski in Saarbrücken und Trier ihr Kunststudium absolviert. Dabei sah sie sich im Wesentlichen auf Zeichnen und Radieren festgelegt. Nebenbei übten aber auch Abfallmaterialien von Handwerk und Industrie eine starke Anziehungskraft auf sie aus. So gestaltete sie mit Drahtresten, Eisenspänen und Graphitstaub Strukturbilder auf Holz, Leinwand und Plexiglas. Das war ihre beginnende Verabschiedung von der Komposition als bildnerischer Ordnung.
Als sie durch Zufall gegen Ende der 90er Jahre Displayglas (150 Mikrometer) der Schott-Spezialglas, Grünenplan, in die Hände bekam, geriet der spielerisch durchgeführte Versuch auf einer kleinen Leinwand zu einem nachhaltigen Schlüsselerlebnis. Es gelang ihr, die Wirkung von pastös-weißer, strukturierter Farbe durch das zusätzliche Aufbringen eines Glasbruchstückes zu beeinflussen. Innerhalb eines Jahres bereits erreichte sie die hohe Perfektion und die künstlerische Qualität ihres heutigen Oeuvres.

Das physikalische Phänomen der Lichtbrechung im Glas wird durch die vielen übereinander liegenden Schichten potenziert. Es wird zusätzlich verstärkt, wenn der Betrachter den Blickwinkel verändert. Jede kleinste Bewegung zieht somit neue Lichtreflexionen nach sich. Vor dem Auge läuft ein gleißendes Lichtfeuerwerk ab, welches trotz unmittelbarer Konfrontation immer angenehm wirkt, weil es prinzipiell ohne Farben geschieht.

Ebenso wie die Klarheit der Bildstruktur und die Reinheit des Lichts tragen formale Strenge und Einfachheit der Grundformen Kreis, Quadrat, Rechteck und Dreieck mit ihren vollendeten Proportionen zur hohen Ästhetik der Objekte bei. Man möchte die Objekte, so sehr dieser Begriff in der heutigen Kunst auch verpönt sein mag, in ihrer leuchtenden Harmonie als schön bezeichnen.

Eine weitere Wirkung, von Zero bewusst angestrebt und nicht immer erreicht, ist den Objekten von Josepha Gasch-Muche spielend zu eigen. Obwohl Glas bekanntlich ein schweres Material ist, strahlen ihre Objekte Leichtigkeit bis hin zur Immaterialität aus. Sie erinnern an kosmische Lichtwolken oder Sternenhaufen im unendlichen All. Und sie machen eine spirituelle Dimensionen erfahrbar. Über äußere Reize und sinnliches Einlassen auf das Objekt wird für den Betrachter eine andere, bisher unbekannte Wirklichkeit erfahrbar.

Dr. Horst Schulte, Glashaus 2/2005

 

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